New Work – mehr als nur ein Buzzword?

Stefanie Hohenstatt New Work

Was sich hinter New Work versteckt und wieso es kein Konzept von Konzernen für Konzerne ist. 

Bällebad, Tischkicker, Home Office, Sabbaticals – das sind oft die ersten Worte die den meisten in den Kopf schießen, wenn sie den Begriff „New Work“ hören. Natürlich können sie Teil des großen Ganzen sein. Aber New Work ist wesentlich mehr und weitaus vielschichtiger. 

Gibt man aktuell den Begriff „New Work“ in die Google Suche ein, erhält man unglaubliche 49.300.000 Ergebnisse. Höchstwahrscheinlich ist Dir der Begriff „New Work“ also schon einmal über den Weg gelaufen, denn wo man aktuell hinschaut oder hinhört, wird über das Thema geschrieben und gesprochen – und das nicht erst seit der Corona Krise. Bereits seit ein paar Jahren ist der Begriff in aller Munde: New Work Kongresse werden abgehalten, Ratgeber geschrieben, Podcasts aufgenommen und ganze Firmen benennen sich um, wie bspw. das Karriere-Netzwerk Xing, deren dahinterstehende Firmengruppe sich seit kurzem New Work SE nennt.

Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Liegt dahinter ein größeres, nachhaltiges Konzept oder ist es nur ein weiteres Wort, dass sich in die Reihe aktueller Buzzwords einreiht?

Höchste Zeit also einmal hinter die Fassade dieses schillernden Begriffs zu blicken und diesen Fragen nachzugehen. 

Wer hat‘s erfunden? 

Wenn man sich näher mit New Work beschäftigt, kommt man an einer Person nicht vorbei: Prof. Dr. Frithjof Bergmann, Sozialphilosoph und Ur-Vater von New Work. Bergmann beschäftigte sich mit der philosophischen Frage nach der Freiheit des Menschen. Nichts schien den Menschen unfreier zu machen als (Lohn-)Arbeit. Er geht davon aus, dass das bisherige Job-System am Ende ist. Aufgrund der fortschreitenden Automatisierung und Digitalisierung, sind immer mehr Menschen zunehmend mit der Frage konfrontiert, was sie mit ihrem Arbeitsleben zukünftig machen wollen, was sie „wirklich, wirklich tun möchten“. Gemäß Bergmanns Vorstellung ist die Antwort darauf „New Work“ – eine Kombination aus Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und Selbstversorgung. Klingt ziemlich theoretisch und irgendwie auch nach Utopie oder? 

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Von der Utopie zur Realität 

Heute steht New Work als Synonym für die Veränderungen unserer Arbeitswelt in all ihren Facetten. Es geht um Veränderungen in unseren Arbeitsweisen, wie, wann und wo wir zusammenarbeiten und wie wir geführt werden.  Die Art und Weise, wie Unternehmen sich organisieren, um wettbewerbsfähig und gleichzeitig attraktiv für ihre jetzigen und zukünftigen Mitarbeiter zu sein und gleichzeitig stets die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.

Dabei ist Wandel in der Arbeitswelt durchaus nicht neu. Schon immer hat sich unsere Art zu Arbeiten verändert. Man nehme nur einmal die erste und zweite industrielle Revolution als Beispiel. Beide Male wurden Arbeitsweisen revolutioniert: Entstehende Fabriken förderten eine völlig neue Form der Arbeitsteilung und -organisation und die Erfindung des Fließbandes führte zu einer nie dagewesenen Standardisierung von Arbeitsprozessen. 

Heute befindet sich unsere Arbeitswelt erneut in einem tiefgreifenden Wandel. Neu sind diesmal die Geschwindigkeit und Dynamik: Eine Veränderung bringt unzählige weitere mit sich. Man kann regelrecht von einem exponentiellen Veränderungswachstum sprechen. 

Was sind die Auslöser dieses aktuellen Wandels? 

Um das zu verstehen, hilft es, einen kurzen Blick auf die Megatrends zu werfen, die unser aktuelles Zeitgeschehen formen:

Globalisierung

Wir leben und arbeiten weltweit vernetzt, Produkte werden bspw. im Silicon Valley designend und entwickelt, um dann in China produziert zu werden. Arbeitsweisen werden so über Landesgrenzen hinweg immer enger miteinander verflochten.

Digitalisierung

Ermöglicht werden diese Verflechtung durch den raschen Wandel in der Informationstechnologie. Wie wir kommunizieren und zusammenarbeiten hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Smart Devices, Cloud-Services, etc. werden täglich weiterentwickelt und haben tiefgreifenden Einfluss in unseren (Arbeits-)Alltag. Sie erleichtern schnelle Kommunikation sowie ortsunabhängiges Arbeiten und ermöglichen uns somit eine unkomplizierte Form des Austausches. Neue Geschäftsmodelle entstehen und mit ihnen neue Arbeitsplätze und Beschäftigungsformen.  

Wissenskultur

Unsere Umwelt verändert sich in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit. Gleichzeitig reduziert sich die Halbwertszeit von Wissen rasant. Das heißt für uns, dass lebenslanges (Ver-)Lernen ein fester Bestandteil unserer Lebens- und Arbeitswelt wird. Arbeitsumfelder und damit auch die Qualifikationsanforderungen wandeln sich heutzutage stetig. Das heißt im Umkehrschluss, dass jeder sein aktuelles Kompetenzset durch zusätzliche Qualifikationen in Form von Weiterbildungs- und Coachingangeboten weiterentwickeln sollte. Organisationen müssen sich darauf einstellen und ihr Weiterbildungskonzept entsprechend anpassen und erweitern.

Diversity

Lange haben wir es geahnt, heute ist es durch viele Studien wissenschaftlich bestätigt: Die Vielfalt von Mitarbeitenden im Hinblick auf Alter, Geschlecht, kulturellem Hintergrund oder Qualifikation macht eine Organisation produktiver, widerstandfähiger und somit auch langfristig erfolgreicher. Organisationen werden somit zukünftig verstärkt ihren Fokus darauflegen, ein leicht zugängliches, diverses und integratives Umfeld zu schaffen, indem sich jeder zugehörig fühlt. 

Demografie

Aktuell sind vier Generationen auf dem Arbeitsmarkt: Die Babyboomer (Jahrgang 1954-1964), Generation X (Jahrgang 1965-1980), Generation Y (Jahrgang 1981-1995) und Generation Z (geboren nach 1996). Alle sind mit unterschiedlichen Erwartungen an und mit unterschiedlichen Voraussetzungen in die Arbeitswelt gestartet. Entsprechend unterschiedlich sind ihre Werte, Wünsche, Haltungen und Bedürfnisse an diese und damit natürlich auch an Organisationen. Um all diese Generationen zu motivieren und langfristig an sich zu binden, müssen Unternehmen ihr Angebot in Bezug auf Arbeitsweisen, Arbeitszeit- und Gehaltsmodellen anpassen und möglichst flexibel gestalten. 

All diese Strömungen und Entwicklungen führen zu einem tiefgreifenden Wandel in unserer Gesellschaft und Arbeitswelt. Zu einem Wandel wie wir leben, arbeiten und geführt werden wollen.

Aber was ist denn nun mit dem Bällebad?

Der Wirkungsbereich von New Work geht weit über den eines Tischkickers oder Bällebads hinaus und betrifft jeglichen Bereich einer Organisation sowie deren Kultur. Angefangen bei der Führungskultur, über neue Arbeitsmethoden, flexiblem und mobilem Arbeiten, neuen Raumkonzepten, veränderten und wechselnden Teamzusammenstellungen, neuen Organisations- und Führungsmodellen, Agilität, flexiblen Arbeitszeitmodellen, bis hin zu neu gedachten Gehaltsmodellen. 

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Im Kern geht es darum, Arbeit neu zu denken und die Potentialentfaltung des Menschen, als wichtigste Ressource der Organisation, mit all seinen Facetten in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist das Verständnis davon, dass Menschen mehr als nur Mitarbeitende sind, die ihre Zeit im Tausch gegen Geld zur Verfügung stellen. 

Wo liegt der unternehmerische Mehrwert? 

Ganz simpel: In den Mitarbeitenden, die bleiben, die sich für Dein Unternehmen entscheiden und einsetzen. 

Jedes Jahr misst das forschungsbasierte Beratungsunternehmen Gallup mittels Befragung den sog. „Engagement Index“. Dieser besagt, wie sehr Mitarbeiter emotional an ihr Unternehmen gebunden sind. Für das Jahr 2018 ergab dieser Wert, dass über fünf Millionen Arbeitnehmer innerlich bereits gekündigt haben und zu ihrem Unternehmen keinerlei Bindung besteht. Das sind 14% (!) aller Arbeitnehmer in Deutschland zu diesem Zeitpunkt. Ein Faktor, der vielen Unternehmen nicht bewusst ist und enorme Kosten in den Bereichen Recruiting und Fluktuation sowie Krankheitstagen verursacht. Desweiteren ergab die Studie, dass neben dem Verhalten der direkten Führungskraft insbesondere die Unternehmenskultur einen entscheidenden Beitrag zur Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen beiträgt. Genau hier setzt New Work an. 

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Wie kann ich New Work in meiner Organisation einsetzen?

Egal ob Start-up, kleines mittelständisches produzierendes Gewerbe oder High-Tech Konzern: New Work ist nicht beschränkt auf eine Unternehmensgröße, eine Industrie oder eine Branche. Es geht dabei um die Kultur einer Organisation, ihre Haltung und Werte und wie diese gelebt werden. Jedes Unternehmen hat eine Kultur, die sich u.a. in der Organisationsform, den Arbeitsweisen und dem allgemeinen Führungsverständnis zeigt. Sie kann nicht erzwungen, sondern muss stets überprüft und weiterentwickelt werden. Es gibt keine Blaupausen oder den perfekten Weg, New Work in Deiner Organisation zu integrieren. Ein erster Schritt ist eine ehrliche Analyse der aktuellen Unternehmenskultur sowie der Rahmenbedingungen und Marktentwicklungen, in denen sich Deine Organisation bewegt. Darauf aufbauend kann ein Schritt-für-Schritt Vorgehen für euren Pfad ins New Work Zeitalter festgelegt werden – ein Pfad der zu euch und eurer Kultur passt.